Angesichts der ersten Mitgliederversammlung Anfang Februar zieht der Vorstand des Safe Sport e.V. eine positive Bilanz. Seit der feierlichen Eröffnung der Unabhängigen Ansprechstelle durch Nancy Faeser am 11.Juli 2023 in Berlin wurde viel in die Aufbauarbeit investiert. „Ziel war und ist es insbesondere, das Unterstützungsangebot bei möglichst vielen Sportvereinen und -verbänden bekannt zu machen, damit es die Menschen erreicht, die potenziell unsere Hilfe benötigen“, erläutert Prof. Dr. Ilse Hartmann-Tews, Sprecherin des Vorstands. Gemeinsam mit Gitta Schwarz aus dem Betroffenenrat der Reiterlichen Vereinigung und der früheren Spitzensportlerin und -trainerin Steffi Jones engagiert sie sich ehrenamtlich
im Vorstand des Vereins.
Hoher Unterstützungsbedarf bei Gewalt im Sport
„Nach einem guten halben Jahr lässt sich festhalten, dass unsere Beratungsstelle gut angenommen wird. Dies ist erfreulich und gleichzeitig erschütternd, da hinter den Anfragen viele Einzelschicksale von Betroffenen stecken – vor allem da meist mehrere Betroffene unter einem Täter oder einer Täterin leiden“, kommentiert Ina Lambert, Geschäftsführerin des Safe Sport e.V.. Etwa die Hälfte der Ratsuchenden im Jahr 2023 waren Menschen, die selbst von Gewalt im Sport betroffen gewesen sind oder dies früher waren. Die Ratsuchenden stammten dabei aus dem gesamten Bundesgebiet. Etwa zwei Drittel der berichteten Vorfälle bezogen sich auf Gewaltvorkommnisse im Breitensport, etwa ein Drittel auf den Spitzensport. Das
Spektrum an Sportarten, in denen Ratsuchende Gewalt erfahren oder beobachtet haben, war so vielfältig wie das Sportangebot der Vereine. Die berichteten Formen erlebter Gewalt waren psychische Gewalt (bei 83% der Fälle) und sexualisierte Gewalt (bei 43%) – z. T. auch in digitaler Form (in 19% der Fälle), sowie darüber hinaus physische Gewalt (bei 13%). Häufig treten mehrere Formen von Gewalt gleichzeitig auf und in zwei Drittel der Fälle treten Gewaltvorkommnisse mehrfach auf. „Der Großteil der Betroffenen, um die es in den Beratungen ging, waren Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre, was sich mit den Forschungsergebnissen zum Thema Gewalterfahrung im Sport deckt“, erläutert Hartmann-Tews. In etwa der Hälfte der Fälle sei die Unabhängige Ansprechstelle das erste Hilfsangebot gewesen, an das sich die Ratsuchenden gewandt haben. Etwa ein Drittel habe vorab Unterstützung bei Stellen innerhalb des organisierten Sports gesucht, z.B. bei Präventionsbeauftragten, Landessportbünden oder Vereinsvorständen.
Selbst betroffen – was tun?
Ratsuchende können sich auf folgenden Wegen bei der Unabhängigen Ansprechstelle melden:
· Telefonisch über die Hotline 0800 11 222 000 (Mo, Mi, Fr 10-12, Do 15-17 Uhr
und nach Vereinbarung)
· Online: https://safe-sport.not-a-problem.de/
Über die datensichere Beratungssoftware kann rund um die Uhr eine Nachricht verfasst werden.
Die Online-Beratung bietet Mail-, Chat- und Videoberatung über den Browser und die Safe Sport-App.
· Vor Ort in Berlin: Termine nach Vereinbarung.
„In jedem Fall ist sichergestellt, dass die Ratsuchenden anonym bleiben können. Wir beraten betroffenenzentriert, das heißt, das Anliegen der ratsuchenden Person steht im Fokus“, beschreibt Ina Lambert. Viele seien zu Beginn unsicher, ob es sich bei dem Erlebten wirklich um Gewalt handele. „Wir hören daher erst einmal zu und versuchen, die Ratsuchenden zu bestärken und eine Einschätzung von außen zu geben.“ Bei Bedarf erfolge eine gezielte Weitervermittlung an weitere Stellen wie regionale Fachberatungsstellen oder Landessportbünde.
Bund und Länder als finanzielle Träger
Nachdem der Aufbau der Unabhängigen Ansprechstelle im Jahr 2023 vollumfänglich durch das Bundesministerium des Innern finanziert wurde, haben der Bund und alle 16 Bundesländer seit diesem Jahr die Finanzierung gemeinsam übernommen. Die Länder beteiligen sich dabei mit einem Gesamtbetrag von 150.000 Euro. Zudem werden sich zukünftig der DOSB und die dsj als Fördermitglied des Vereins finanziell einbringen. „Wir begrüßen, dass der organisierte Sport die Notwendigkeit eines unabhängigen Hilfsangebots für Betroffene neben den bestehenden Strukturen anerkennt und seiner Verantwortung in der Thematik verstärkt nachkommt“, so Hartmann-Tews.
Auf dem Weg zu einem Zentrum für Safe Sport
Der Verein Safe Sport e.V. ist mit seiner Unabhängigen Ansprechstelle für Betroffene interpersonaler Gewalt im Sport zugleich Baustein des geplanten Unabhängigen Zentrums für Safe Sport. Vorstandssprecherin Hartmann-Tews: „Wir engagieren uns intensiv im Stakeholder-Prozess zur Errichtung eines Zentrums für Safe Sport, weil wir von der Notwendigkeit überzeugt sind, dass es nicht nur einer unabhängigen Beratung von Betroffenen bedarf, sondern auch einer Institution, die bei Fällen von Missbrauch und Gewalt im Sport für die Begleitung von Aufarbeitungsprozessen zuständig ist und hier unabhängige Untersuchungs- und Aufklärungskapazitäten bereitstellt.“
Pressekontakt: Ina Lambert
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